Howto Ideale RIAA-Kurve für LTspice nach W. Jung -- iRIAA Subcircuit

RudiS

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Wer noch jene schwarzen Plastikscheiben in riesigen, dünnen Papptüten zu Hause hat, die man “Schallplatte” nennt, sich ausserdem für Elektronik interessiert
und sich seinen Phono-Vorverstärker selber stricken möchte, hat’s nicht leicht – es gibt massenhaft Schaltungen dafür, mal diskret aufgebaut mit Transistoren,
kompakter mit Opamps und noch nostalgischer mit Röhren.

Nicht umsonst heisst es: wer die Wahl hat, hat die Qual! Verspricht doch jede Schaltung, die “ultimativste” zu sein. Wenn man solche Schaltungen wenigstens vergleichen
könnte! [Kann man, das ist gerade in Arbeit…]
Zu einer ersten Beurteilung würde es genügen, wenn man sehen könnte, wie genau sich die resultierende Kurve eines Phono-Preamps der idealen RIAA-Kurve annähert.

In dem Buch “Op Amp Applications” von Walter G. Jung bespricht der Verfasser auch eben diese Phono-Verstärker und präsentiert darin nicht nur eine Schaltung,
die sehr gut zu sein scheint, nein, er stellt dort auch vor, wie man diese ideale RIAA-Kurve simuliert! (in PSPICE).

Das war für mich der Anlass, solch eine Simulation für LTspice zu versuchen, und hier ist das Ergebnis.
Verwirklicht wird das wie bei W. Jung mit einer VCVS (E-Spannungsquelle) und der von ihm verwendeten Laplace-Transformation gemäss den RIAA-Zeitkonstanten:

LAPLACE ={(1+(T2*1E-6)*S)/((1+(T1*1E-6)*S)*(1+(T3*1E-6)*S))}
T1 = 3180
T2 = 318
T3 = 75

Bei 20mV Eingangsspannung ergibt sich bei einem Verstärkungsfaktor von 500 eine Kontrollspannung von 20dB, Jung selbst verwendet jedoch einen
etwas geringeren Faktor von knapp 491 (490.7).

[26.Juni 2023: ich habe den Verstärkungsfaktor überprüft und würde empfehlen, ihn auf 494.93 zu verringern.
Damit ergibt sich bei 1kHz ein besserer Wert für 0dB entsprechend 1V Ausgangsspannung. 500 war eben ein verlockend runder Wert ;-) ]


Ich habe das Ganze zum leichten Einbinden in eigene Schaltungsentwürfe in einen Subcircuit verpackt und ein Symbol dazu bereitgestellt.
Es genügt, wenn man den Subcircuit und das Symbol in den Ordner kopiert, in dem man gerade die eigene Schaltung entwirft.
(Das Abspeichern der eigenen Schaltung nicht vergessen! Sonst landet man evtl. in einem ganz anderen Verzeichnis!)

Zum Aufrufen des Symbols → Toolbar / Select Component Symbol (das AND-Symbol) / dann im sich öffnenden Fenster oben
bei “Top Directory” im Dropdown-Menü den Ausführungsordner anwählen.


Der Subcircuit hat zwei Parameter, die man verändern kann:

a) der Verstärkungsfaktor ENORM (default Wert 500) --> bitte ändern in 494.93 !!
b) der Ausgangswiderstand Rout (default Wert 10k) Wer will, kann den auch auf 100MEG setzen!

Ein Screenshot des Testschaltplans und des Kurvenplots ist unten beigefügt. Alle Dateien befinden sich im Zip-Archiv.

Zu guter Letzt: das Buch “Op Amp Applications” von W. Jung kann man sich auf der Website von AnalogDevices kostenlos herunterladen,
es ist dort unter dem Titel “Op Amp Applications Handbook, 2005” (oder so ähnlich) aufgeführt. Besagte RIAA-Schaltung befindet sich im Kapitel 6.

Happy testing!

RudiS
 

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Hinweise zum Gebrauch der idealen RIAA-Kurve

Nach einiger Überlegung schien es mir angebracht, Hinweise zu geben, wie man denn diese ideale RIAA-Kurve ganz praktisch verwendet.
Vor fast einem Jahr schrieb ich schon einmal über RIAA, die Informationen von damals sind, so meine ich, immer noch wertvoll. Wer in der
Forumssuche nach “Phono Entzerrer” sucht, wird fündig.
Übrigens wird dieser Phono-Vorverstärker immer noch von der belgischen Firma Velleman vertrieben, die Original-Bauanleitung mit Schaltplan
und Bauteilewerten habe ich mal spasseshalber dazugepackt.

Zur RIAA-Kurve und der Berechnung von Filter-Parametern schrieb ich seinerzeit:

In der RIAA-Kurve gibt es drei Punkte, die hier wichtig sind: +20dB bei 20Hz, 0dB bei 1kHz und -20dB bei 20kHz. Zur Filterberechnung werden
allerdings nicht diese Frequenzen benutzt, sondern die zuzuordnenden 3dB-Eckpunkte, als da sind

50Hz (3180us) = -3dB bezogen auf 20Hz,
500Hz (318us) = +3dB bezogen auf 1kHz, und
2120Hz (75us) = -3dB bezogen auf 1kHz.”



Ich habe also die Velleman-Schaltung von damals nochmal herausgekramt, den iRIAA-Subcircuit in die Schaltung eingefügt und die Kurven miteinander verglichen.
Wie man sieht, ist es gar kein Problem, iRIAA in einen Versuchsaufbau einzufügen, siehe Screenshot #1 (unten beigefügt).
[Das ist eben das Schöne am Subcircuit, la bellezza wie die Italiener sagen, dass man ihn mit einem Klacks und ohne viel Zeichenarbeit in eine
bestehende Schaltung einfügen kann.
Und wenn man weiss, was er tut, braucht man noch nicht einmal zu wissen, wie er es tut. Er ist gekapselt
wie ein Objekt beim objektorientierten Programmieren (OOP).]

Schauen wir uns die Kurve an mit den original Velleman-Bauteilwerten (Screenshot #2). Man sieht, dass der Velleman-Entzerrer die RIAA-Vorgaben
nicht erfüllt: unter 15dB bei 20Hz, auch bei 1kHz bleibt die Kurve ein paar dB darunter, einzig bei 20kHz geht sie durch die -20dB – Linie.

Wenn man – weil man aus Bequemlichkeit diesen Bausatz schon gekauft hat – das RIAA-Filter verbessern möchte, wie sollte man da am besten vorgehen?
Einfach irgendwelche Werte ändern und die Kurven vergleichen ist unpraktisch und zeitraubend. Wennschon, dann muss man mit Überlegung ans Werk gehen.

Zunächst braucht man einen Bezugspunkt, für mich wäre das 0dB bei 1kHz. Da die Velleman-Kurve unterhalb dieses Punktes liegt, ist es am einfachsten,
die Gesamtverstärkung ein bisschen anzuheben. Das machen wir mit Widerstand R5, ein kleinerer Wert gibt mehr Verstärkung.

Man könnte nun in einem Bereich von 1k bis 3k diesen Wert steppen in 200Ohm-Schritten, die Kurven vergleichen und mit “select step” sehen,
welche Kurve und damit welcher Wert unserem Bezugspunkt nahekommt.
Das mache ich hier jetzt aber nicht, ich hab’ schon ein bisschen experimentiert, wir ändern R5 in 2k3 und schauen uns dann nochmal die Kurven an
(Screenshot #3).

Jetzt sieht das Ganze schon besser aus: die Velleman-Kurve geht nun ziemlich genau durch den Bezugspunkt, im Bassbereich sind noch ca. 2dB zuwenig,
bei den Höhen umgekehrt 2dB zuviel.

Im nächsten Schritt muss man wissen, welche Glieder des RIAA-Filters für den Bassbereich und welche für die Höhenbereich zuständig sind
und diese dann “tweaken”. Aber auch dafür fehlt mir die Zeit, das könnt ihr, wenn ihr Lust habt, selber ausprobieren. In dem oben erwähnten
Beitrag von vor einem Jahr gibt es auch eine RIAA-Schaltung mit dem NJM2068, da habe ich auch notiert gehabt, welche Bauteile für welchen
Frequenzbereich zuständig sind.

RudiS

P.S.: Die vorstehenden Hinweise sind unten als PDF-Datei beigefügt. Alle Dateien, auch die für die Simulation, befinden sich im ZIP-Archiv.
 

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  • Velleman_usermanual_k2573.pdf
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  • Hinweise zum Gebrauch der idealen RIAA-Kurve.pdf
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  • 03_Velleman-Phono_R5=2k3.png
    03_Velleman-Phono_R5=2k3.png
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  • 02_Velleman-Phono org. Kurve.png
    02_Velleman-Phono org. Kurve.png
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  • 01_Velleman-Phono schematic + iRIAA.png
    01_Velleman-Phono schematic + iRIAA.png
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  • Hinweise zum Gebrauch der idealen RIAA-Kurve.zip
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Kenn' ich, S. 238, Linear and conversion applications handbook von '86 :) -- habe die meisten databooks auf meinem Computer. Werd es mir in den nächsten Tagen mal anschauen, runtergeladen hab' ich deine Simulationsdatei. Ich bin sowieso zur Zeit dabei, etliche Phono-Entzerrer mittels table-Funktion zu vergleichen und habe dafür die Databooks nach Schaltungen durchforstet.
 
Zuletzt bearbeitet:
An alle, die schon mal hier waren und die Hinweise runtergeladen haben

Ich hatte heute morgen vergessen, die Simulationsdateien hinzuzufügen! Bitte um Entschuldigung, das war reines Versehen!
Ich habe nun
alles in ein Archiv verpackt und oben dem
Post #2 beigefügt!

RudiS
 

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