gelöst Modellierung der Dielektrischen Verluste eines Kondensators

wjr

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Ich möchte gerne die reale Thermische Belastung eines WIMA FKP 0,47 µF zwischen 100 und 200 kHz simulieren.

Das einfachste Ersatzschaltbild nimmt dafür einen Serienwiderstand - also ein RC-Glied.
Klingt einfach.
Nur scheint der korrekte Serienwiderstand bei bestimmten Bauformen stark frequenzabhängig zu sein.

Wima gibt an:
"Dissipation factors at +20+ C: " tan delta": 5e-4 at 1 kHz, 6e-4 @ 10 kHz, 10e-4 @ 100 kHz"
d.h. über 2 Frequenzdekaden ist dieser Faktor "annähernd" konstant.

Nur sollte er das nicht:
"tan delta" ist der Phasenwinkel der Impedanz im RC-Ersatzschaltbild.
Und nachdem der Spannungsfall an C und an R unterschiedlichen Ferquenzgang haben, sollte "tan delta" proportional zur Frequenz steigen.
tan delta = 1 / (omega * R * C)
mehrfach gegen gecheckt u.a. z.B. hier Dielektrischer Verlustfaktor – Lexikon der Kunststoffprüfung

Das tut er auch in den Simulationen einfacher RC Glieder - aber nach WIMA-Datenblatt sollte er über 2 Dekaden annähernd konstant bleiben.
Oder umgekehrt der ESP-Widerstand im Ersatzschaltbild fallen.

Ich hab verschieden Krücken versucht
  • resonante LC-Komponenten
  • Kaskaden von parallelen RC-Gleidern, ca 3...4 / Frequenzdekade
  • einen Trafo über C mit einem Verlustwiderstand
  • (noch nicht probiert) behavioural Capacity, nur wie komm ich an die Frequenz? In der AC-Anlayse OK, aber im .transient?
Mit all diesen Krücken krieg ich nur kurze stationäre Abschnitte hin. Wenn ich versuche, mehrere zu kombineren, scheitere ich an der gegenseitigen Beeinflussung.
OK, ich müßte vielleich alte Mathematik wieder ausgraben.
Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß diese simple Aufgabe so kompliziert werden soll.
Und das es noch keiner gemacht hat. Kondensatoren sind jetzt keine ungewöhnlichen Bauteile...

Irgendwie fühlt es sich nach einem massiven Denkfehler an.

Hintergund:
Ich möchte einen Resonanzwandler mit 5 kW bei 50 Volt aufbauen.
Aktuell bin ich bei 45 Stück von diesen Kondensatoren parallel. Machbar, unhübsch, Streuinduktivität....
Ich krieg die höheren Ströme bei niedrigeren Frequenzen, aber alles recht nichtlinear.
Deswegen würde ich das Verhältnis Verlustleistung - Frequenz gerne genauer modellieren.
 
ah ... es gibt spannungsgesteuerte Stromquellen - damit kann man Widerstände bauen - so weit klar.
".....
Syntax: Gxxx n+ n- nc+ nc- Laplace=<func(s)> [window=<time>] [nfft=<number>] [mtol=<number>]
.....The transfer function of this circuit element is specified by its Laplace transform."

d. h. damit könnte ich mir einen Widerstand mit frei wählbarem Frequenzgang basteln.
Klingt erfolgsversprechend.
 
Nach
  • langmütigem Probieren und pfriemeln
  • Aufwärmen alter Mathematik- und Tabellenkalkulationskenntnisse
  • mehrfach wiederholtem Lesen der ltspice-Help-Files
  • greppen durch Bordodynov's Modelle
  • intensiven log-log-Charttechnischen Erwägungen
bin ich jetzt an einem Punkt gelangt, an dem es mir langsam vernünftig und systematisch erscheint:

Code:
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wima-fkp-model.png wima-fkp-datasheet.png

Ich habe erst mal mit den Daten eines DuT mit 0,1µ begonnen, weil da tan-delta für 100 kHz lt Datenblatt noch gültig ist.
Das gibt mir einen Stützpunkt mehr - und vor allem im interessanten Frequenzbereich - um das Modell zu fitten.

Die obere magenta Kurve zeigt den Spannungsverlauf der Testschaltung.
Sie ist so parametriert, daß das charakteristische "Eselsohr" in der Kennlinie - also der Bereich der verlustwärmebedingten Spannungsbegrenzung - durchfahren wird.

Die rote Kurve ist die Verlustleistung am C-dut resp. am Verlust-Modell-Widerstand.
Sie ist in den Eckpunkten der Verlustgrenze identisch - Modellanforderung erfüllt.
Interssanterweise (v.a. auch für meine Anwendung) ergibt sich aus dem Modell eine "Leistungsreserve" zwischen diesen Eckpunkten, was in realiter noch zu verifizieren wäre.

Blau ist der Strom durch den Verlustwiderstand.
Grün ist der Strom durch das gesamte DuT, also idealer Kondensator (90° Phasenlage) und Verlustwiderstand (0° Phasenlage).
Daraus resultiert unser Zielparameter delta als Phasenwinkel.
Die Einhaltung der tan-delta-Eckwerte sind daran abzulesen.

Erwägungen zur Formulierung des Verlustmodelles:
  • Abbildung in einem einzigen Parallelwiderstand
  • Verzicht auf Serieninduktivität, da wir dazu keine Daten haben und ein Vergleich mit anderen Herstellern zeigt, daß die Resonanzfrequenz weit über 10 MHz liegt, also erst mal nicht im interessanten Bereich.
    Eine Serieninduktivität kann ja auch jederzeit noch extern zugefügt werden.
  • Verzicht auf "naturwidrige" Diskontinuitäten - auch, weil diese sich schwer simulieren.
  • Verzicht auf gekünstelte Nachbildung solcher Diskontinuitäten, z.B. weiche tanh-Schwellen
  • Asymtotisch konstanter tan delta für f->0
  • Asymptotisch exponentieller Anstieg (also linear im log-log) für f->inf
  • Mit einem proportionalen Term lassen sich die 3 tan-delta-Werte aus dem Datenblatt für 1, 10 100 kHz exakt in stetigem Verlauf abbilden
  • Für die Modellierung des Maximalleistungsbereiches habe ich zunächst mit einem separaten Parallelwiderstand gearbeitet.
    Dabei zeigte sich ein quadratischer Verlauf der Dissipation als geeignet.
    Lineare Verläufe reichen nicht, den Leistungsabfall bei annähernd konstanter Dissipation und fallender Spannung auszugleichen
    Verschiedene Exponenten resultieren in einer Verschiebung des Leistungsminimums, ohne nennenswerten Einfluss auf dessen Betrag
    Nach Ockam's law schien mir somit ein Exponent von 2 am naheliegendsten
  • Einfaches Aufaddieren der Verluste aus zwei Modellen durch parallele Widerstände gibt im Übergabepunkt doppelte Werte, also Verlustleistungen von ca 4 statt 2 W und tan-delta von ca 20e-4 statt 10e-4, wie spezifiziert
  • Ein Co-Optimierung zweier Modell wäre wohl machbar aber nicht schön
  • Wenn ich stattdessen im ersten Modell einen quadratischen Term über die Frequenz hinzufüge, überwiegt der quadratische Verlauf gegen höhere Frequenzen, also v.a. in der oberen Eckfrequenz des Eselsohres. Bei tieferen Frequenzen überwiegt das erstere Modell des linearen Argumentes. Im Bereich der unteren Eselsohr-Eck-Frequenz dürften sich beide Anteile überlagern, ohne jedoch die tan-delta-Vorgabe bei 100 kHz und damit den Verlustleistungsbetrag der Höhe nach zu verzerren
  • Tatsächlich lassen sich damit die tan-delta-Vorgaben nicht mehr exakt einhalten.
    Im vorliegenden Beispiel ergeben sich
  • tan-delta@100 kHz = 10e-4 ; also exakt am Zielpunkt
  • tan-delta@10 kHz = 5.7e-4, also etwas unter dem Datenblatt-Limit von 6e-4, aber noch in der Spezifikation
  • tan-delta@1 kHz = 5.2e-4, also etwas über der Spezifikation von 5e-4.
    Dies liegt aber schon deutlich außérhalb des hier interessierenden Betriebsbereiches und wird damit akzeptiert
Als nächstes steht nun an, das in einen sauber parametrierten .subckt zu packen und die Modellparameter für relevante Bauteile zu ermitteln.
 
Starke Leistung. Danke für das Teilen Deiner Lösung.
Ich habe gesehn, dass Du das Thema bereits auf gelöst gesetzt hast.
Danke
 
Auf der Suche nach alternativen Teilen bin ich noch auf eine Sammlung von "typsichen" Frequenzverläufen des dissipation factors gestoßen (Quelle: ICEL)
Meine Vermutung eines stetigen Verlaufes wird bekräftig.
icel-dissp-freq.png
Noch ein Detail zum o.g. Modell:
In der AC-Analysis findet sich im log "Trouble evaluating Laplacian at DC." .trans bricht mit "laplacian singular at DC" ab.
Workaround: Addition von "pretty little nothing" aka z.B. 1e-27 zum Argument, um log 0 auszuschließen.
 

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