Ich persönlich fände es höchst bedauerlich, wenn Meinungsverschiedenheiten zu einem Bann von einem Bauteil führen würde.
Denn meistenteils trifft das Bauteil keine Schuld. Der Fehler, wenn man in diesem Zusammenhang von einem Fehler sprechen mag, liegt weniger beim Bauteil (es ist, wie es ist) als mehr bei den Menschen, die dieses Bauteil und die ihnen zugänglichen Informationen darüber benutzen.
Vor mehr als 30 Jahren besassen die SPICE-Bibliotheken (als eine Ansammlung von Modellen) durchweg einen warnenden Hinweis wie den folgenden:
"Diese Bibliothek von Makromodellen wird den Benutzern als Hilfe beim Schaltungsdesign bereitgestellt. Obwohl sie in Bezug auf die Leistung eine recht enge Ähnlichkeit zum tatsächlichen Bauteil aufweist, wird sie nicht als Ersatz für das Bread‑Boarding empfohlen. Die Simulation sollte als Vorläufer oder Ergänzung zu herkömmlichen Labortests verwendet werden."
Man darf von den bereit gestellten Modellen nicht zu viel erwarten. Die physikalische Wirklichkeit mit einer begrenzten Anzahl von Parametern versuchen abzubilden ist schwer - je mehr Parameter, desto genauer wird das Modell im Prinzip, aber auch desto unübersichtlicher und schwieriger zu handhaben. Da muss man mitunter einen Kompromiss eingehen. Nur als ein Beispiel: das HSPICE Handbuch zu den MOSFET-Modellen ist ein Buch von nahezu 600 Seiten! Da möchte ich fragen: wer will sich das antun, solch einen Schinken durchzuackern . . .
Ausserdem darf man nicht vergessen, dass in einer profitorientierten Wirtschaft die Halbleiterproduzenten kaum motiviert sind, für finanzschwache Amateure ein genaues Modell kostenlos bereitzustellen.
Eine Person, die mir immer imponiert hat, ist Bob Pease. Über SPICE soll er z.B. geschrieben haben: “SPICE takes away your ability to get good insights on what is happening. Spice actually HURTS your understanding of how circuits function.” (SPICE nimmt dir die Fähigkeit, gute Einsichten zu gewinnen über das, was da gerade [elektronisch, R.S] passiert. In wirklichkeit SCHADET Spice deinem Verständnis, wie Schaltungen funktionieren. Übersetzung von mir, R.S)
Das ist ein bisschen so, wie wenn wir das Denken dem Simulator überlassen, mehr noch bei zukünftigen KI-gestützten Simulatoren. Bob Paese mochte es, als jemand angesehen zu werden, der SPICE hasste, was aber nicht bedeutet, dass er SPICE nicht zu gebrauchen wusste, im Gegenteil wusste er ihn GUT zu gebrauchen. Seine Abneigung gegen SPICE wie auch das Bewusstsein der Grenzen einer SPICE-Simulation verdeutlicht folgende Anekdote:
Beim Debuggen einer großen analog‑digitalen Simulation in einem Forschungslabor in Palo Alto stellte Paese fest, dass das SPICE‑Modell eines kritischen Operationsverstärkers Ergebnisse lieferte, die den gemessenen Daten widersprachen. Nach stundenlangem Suchen nach der Ursache kam er zu dem Schluss, dass die Simulationssoftware über das Verhalten der Schaltung „lügt“.
Frustriert soll er da zu dem Computer gesagt haben: "Du wirst mich niemals mehr belügen!"
Um seinem Team die Bedeutung der Verifizierung von Simulationsergebnissen an der Hardware zu verdeutlichen, hob Paese den Hauptrechner des Arbeitsplatzes (einen DEC VAX 11/780) hoch, und mit der Hilfe von zwei Kollegen warf er ihn vom Dach des Gebäudes. Der Rechner zerbrach spektakulär, die Festplatten wurden zerstört und die Simulationssoftware unbrauchbar.
RudiS